Decken-Mikrofonarrays optimal einsetzen

Andrew Francis | 12.12.2017 Decken-Mikrofonarrays optimal einsetzen

Decken-Mikrofonarrays bieten Lösungsmöglichkeiten für viele Probleme, die in unterschiedlichen Konferenz- und Vortragsräumen bezüglich der Beschallungsqualität auftreten können. Abgesehen davon, dass sich die Personen im Besprechungsraum ganz natürlich unterhalten können, ohne ein Mikrofon benutzen zu müssen, wird gewährleistet, dass alle Personen im Raum, unabhängig wo diese sitzen, von externen Teilnehmer gehört werden können.

Decken-Mikrofonarrays, wie das MXA910, sind außerdem eine sehr effektive Lösung in Situationen, in denen sich Vortragende im Raum bewegen, beispielsweise beim Einsatz von Whiteboards oder anderen Hilfsmitteln. Ein sogenanntes Voice Lift-System (Sprachunterstützung) dient dazu, den Lautstärkepegel eines Sprechers so anzuheben, dass dieser im gesamten Raum, auch von weiter entfernt sitzenden Personen, verstanden werden kann. Die hohe Richtwirkung des MXA910 ermöglicht größere Anhebungen über weitere Entfernungen als mit anderen Mikrofonen, bevor die üblichen Rückkopplungsprobleme auftreten.

Um allerdings in den Genuss dieser Vorzüge zu kommen, ist die korrekte Konfiguration der Technik für den jeweiligen Raum unerlässlich, und es sollten eine Reihe weiterer Überlegungen in das Systemdesign und die Installation eines Decken-Mikrofonarrays mit einfließen. Im Folgenden werden bewährte Vorgehensweisen beschrieben, mit welchen die Anwender die Vorteile eines korrekt konfigurierten Decken-Mikrofonarrays optimal ausnutzen können.

Nehmen Sie sich Zeit

Der erste Schritt zur optimalen Nutzung dieses Produkts besteht darin, genug Zeit für die Planung und Einrichtung zu veranschlagen. Beachten Sie, dass zur Gestaltung des passenden Systems die beabsichtigte Raumnutzung berücksichtigt wird. Unabhängig von der Größe oder Komplexität der Installation sparen Sie mit der Designer Software beträchtliche Zeit ein, da Sie damit auch ohne aktive Verbindung mit einem MXA910 Einstellungen vornehmen können. Anschließend importieren Sie einfach die Einstellungen für den Aufnahmebereich in die Hardware vor Ort. Diese Desktop-Anwendung für Integratoren und Systemdesigner erleichtert die Visualisierung und Umsetzung von Installationen enorm. Mit dieser Funktionalität lässt sich genauer vorausbestimmen, wie viele Mikrofone zur Abnahme eines Besprechungsraumes benötigt werden, und die Abdeckungsbereiche lassen sich präzise so einstellen, dass maximale Klarheit und Sprachverständlichkeit gewährleistet sind.

Hören Sie gut hin

Obwohl die Bedienungsanleitung des MXA910 einige Vorschläge zur Einstellung von Deckenarrays enthält, ist es immer noch wichtig, den Klang im Raum selbst zu beurteilen und die Mikrofonpositionierung entsprechend anzupassen. Ähnliches gilt für die im MXA910 vordefinierten Einstellungen zur Anpassung der Aufnahmebereiche, auf die Sie sich nicht ausschließlich verlassen sollten. Diese sind zwar ein guter Ausgangspunkt, jedoch ist eine genaue Ausrichtung der Aufnahmerichtung auf die sprechende Person(en) erforderlich. Jeder Raum ist anders, und daher kann eine Anpassung des Systems notwendig sein.

Abdeckungsbereiche ausrichten

Während die Aufnahmerichtung auf die sprechende Person ausgerichtet sein muss, reicht eine Richtkeule für die Abnahme mehrerer Gesprächsteilnehmer aus, d.h. es wird nicht zwingend eine pro Person benötigt. Verwenden Sie zur Abnahme der designierten Fläche die erforderliche Anzahl von Abdeckungsbereichen mit minimaler Überlappung, und nutzen Sie hierbei mittelgroße (Medium) und breite (Wide) Abdeckungsbereiche. Schrecken Sie nicht davor zurück, die Richtcharakteristik zu verbreitern – bei zu schmaler Einstellung können sprechende Personen aus dem Bereich der höchsten Empfindlichkeit herauswandern; die Verbreiterung wirkt sich nicht negativ auf die Klangqualität aus. Überprüfen Sie per Kopfhörer die Ausrichtung, indem Sie Sprechern innerhalb und außerhalb der Aufnahmebereiche zuhören. Ein Dante-fähiger Kopfhörerverstärker, wie er beispielsweise in den MXWANI-Geräten von Shure integriert ist, oder eine Dante Virtual Soundcard sind bei der Inbetriebnahme des Systems von unschätzbarem Wert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Richtkeulen das Mikrofonarrays korrekt ausgerichtet sind, bevor Einstellungen an anderen Bestandteilen des Systems vorgenommen werden.

Das NOM-Limit herausfinden

Die meisten Automatikmischer erlauben eine Begrenzung der Zahl der offenen Mikrofone (kurz: NOM, „number of open microphones“). Bei manchen Anwendungen bewirkt eine NOM-Reduktion auf lediglich ein oder zwei Mikrofone eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit. Eine gute Ausgangsbasis ist in der Regel bei maximal zwei offenen Mikros gegeben. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein Gespräch zwischen zwei Personen gut verständlich ist. Kommt ein dritter Teilnehmer dazu, kann es schon schwieriger werden, dem Gespräch zu folgen. Wenn sich nun gar eine vierte Person einschaltet, wird das Ganze zu chaotisch. In Situationen mit drei gleichzeitig sprechenden Personen wird in der Regel ein Teilnehmer nicht weitersprechen, weshalb sich bei mehr als zwei offenen Mikrofonen fast immer nur der Geräuschpegel erhöht. Falls diese Einstellung allerdings kein gutes Ergebnis liefert, kann die maximale Zahl der offenen Mikrofone erhöht werden, so dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt mehr Aufnahmebereiche aktiv sind. Die Werkseinstellung des IntelliMix Automatikmischers im MXA910 liegt bei 8.

Reduzierung von Echos

Umgebungsgeräusche können die Sprachverständlichkeit in einem Raum drastisch verschlechtern, weshalb tieffrequente Störgeräusche mit einem Equalizer abgesenkt werden sollten. Mit zunehmender Anzahl gleichzeitig aktiver Lobes verstärkt sich die Übertragung tiefer Frequenzen. Dem können Sie mit einem Low-Shelving-Filter (Kuhschwanz-Filter) entgegenwirken, welcher in jedem Kanal mittels der MXA910-Nutzeroberfläche aktiviert werden kann oder alternativ in einem externen digitalen Signalprozessor pro Kanal eingesetzt werden sollte. Das Wichtige dabei ist, dass sich die Zahl der offenen Mikrofone in der Stärke der Tieftonabsenkung widerspiegelt. Je mehr Lobes offen sind, je breiter die eingestellte Richtcharakteristik ist und je größer die Überlappung, desto stärker baut sich die kumulative Übertragung tiefer Frequenzen auf, welche daher umso stärker mit dem EQ abgesenkt werden müssen. Es mag überraschen, dass ein Low-Shelving-Filter mit einer Grenzfrequenz von 960 Hz und -10 dB Absenkung pro Lobe ein empfohlener Anfangswert ist. Machen Sie eine Hörprobe zur Prüfung der Balance zwischen herausgefiltertem Tiefton-„Rumpeln“ und dem Verlust von tieffrequentem Stimmvolumen. Lassen Sie beim Betrieb eines MXA910 mit einem nachfolgenden Shure IntelliMix P300 den Equalizer im Mikrofon linear. Nutzen Sie stattdessen den ‘910 Optimization Mode’ im P300.

Einsatz eines externen DSP

Bei der Einrichtung eines Decken-Mikrofonarrays ist es ratsam, einen externen digitalen Signalprozessor (DSP) wie den Shure IntelliMix P300 zu verwenden, so dass jeder Ausgangskanal des MXA910 mit AEC (akustischer Echokompensation) sowie Noise Reduction (Störgeräuschunterdrückung) versehen werden kann.

Obwohl das Array den IntelliMix-Algorithmus zum Mischen der Signale verwendet, erlaubt ein AEC-Algorithmus das Abhören mit einer konstanten räumlichen Abbildung. Da der Mikrofonmischer jedes Mal entscheidet, welche Richtkeule verwendet wird, bewirkt jeder Wechsel eine Veränderung der aufgenommenen akustischen Umgebung und erzeugt für die Gesprächsteilnehmer an der Gegenstelle ein hörbares Echo, auf das der AEC-Algorithmus mit einer Adaption an den neuen Raumklang reagieren muss. Mit dem Einsatz der AEC-Signalverarbeitung für jede Richtkeule wird die Klangqualität in jedem Raumabschnitt ständig überwacht. Es empfiehlt sich, die AEC-Signalverarbeitung vor weiteren signalbearbeitenden Komponenten wie EQ oder Kompression, erfolgen zu lassen.

Gain nach dem Gate

Wenn die Richtkeulen korrekt ausgerichtet sind, gewährleistet das MXA910 eine gleichmäßige Abnahme über den gewünschten Aufnahmebereich. Die Verwendung von Automatic Gain Control (AGC) zum Ausgleichen des Sprachpegels ist generell nicht notwendig, kann bei Bedarf pro Kanal im P300-IMX aber eingeschaltet werden. Da man die Verstärkung jeder einzelnen Richtkeule anpassen kann, ist man versucht diese, für im Vergleich weiter entfernt sitzende Personen, zu erhöhen. Jedoch können Sie dadurch das Gate-Verhalten des Mischerkanals in nicht erwünschter Weise verändern, da dann der Kanal für diesen Aufnahmebereich durch die höhere Empfindlichkeit bevorzugt geöffnet wird. Die richtige Vorgehensweise zur Lautstärkekompensation besteht in der Verstärkungsanhebung hinter dem gegateten Automatikmischer, nachdem dieser das Gate für den betreffenden Kanal geöffnet hat.

Pegel niedrig halten

Die meisten Codecs oder Anwendungen wie Skype und Hangouts haben einen Schwellwert, bis zu dem niedrige Signalpegel als Rauschen bzw. Störgeräusch angesehen werden. Daher ist es wichtig, dass das erwünschte Signal im Verhältnis zu den Nebengeräuschen stark genug ist. Stellen Sie den Übertragungspegel auf den niedrigsten möglichen Wert ein, während Sie von der Gegenstelle aus hören, ab wann Rauschen oder Verzerrungen auftreten. Notieren Sie den anfänglichen Ausgangspegel des Automatikmischers: Lassen Sie eine Person im Raum sprechen, während Sie an der Gegenstelle mithören und dabei den Automatikmischer-Ausgangspegel langsam erhöhen, bis der Pegel der sprechenden Person nicht mehr lauter wird. Stellen Sie den Automatikmischer-Ausgangspegel wieder auf die Einstellung zurück, bei der zuletzt ein Anstieg des Sprachpegels verzeichnet wurde, und notieren Sie diesen neuen Ausgangspegel. Wechseln Sie zwischen dem anfänglichen und dem neuen Pegel hin und her. Sie werden möglicherweise feststellen, dass der neue Ausgangspegel des Automixers 10 bis 15dB unterhalb des anfänglichen Werts liegt und dass eine deutliche Dämpfung des Umgebungslärms und anderer Störgeräusche erzielt wurde, während der Sprachpegel gleich geblieben ist.

Voice Lift, Varianten

Das MXA910 kann in AV-Konferenzsystemen genutzt werden, bei denen ein Voice Lift erforderlich ist. Das erfordert allerdings abweichende Einstellungen von Konferenzen ohne Eigenbeschallung. Beachten Sie, dass Voice Lift für manche Räume, insbesondere kleinere, nicht geeignet ist. Die Eignung eines Raumes für ein Voice Lift-System lässt sich berechnen. Shure bietet ein Tool an, mit dem sich die potentielle akustische Verstärkung/benötigte akustische Verstärkung (PAG/NAG) berechnen lassen und um festzustellen, ob ein System genug Verstärkung erzeugen kann, bevor Rückkopplungen einsetzen. Dieser Rechner, der „standardmäßig“ auf Mikrofone mit Kugelcharakteristik bezogen ist, hilft Ihnen bei der Kalkulation der Anzahl der Mikrofone sowie der Abstände zwischen verschiedenen Komponenten des Beschallungssystems. Im Vergleich zu einem Mikrofon mit Kugel- oder Nierencharakteristik kann das MXA910 zwischen 7 und 11 dB zusätzlichen Voice Lift-Pegel liefern, bevor es in einem typischen Besprechungsraum zu Rückkopplungen kommt – damit ist es eine hervorragende Wahl für Anwendungen mit Voice Lift.

Letztendlich ist bei der Verwendung des MXA910 für Voice Lift Anwendungen die Einrichtung von verschiedenen Lautsprecherzonen entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung. Um einen ausreichenden Voice Lift-Pegel zu erreichen, muss ein Raum über mindestens zwei Lautsprecherzonen verfügen. Dies bezieht sich typischerweise auf Lautsprecher in einem Raumabschnitt, die über einen eigenen Verstärkerkanal betrieben werden. So wird es möglich, dass die Mikrofone auf einer Seite des Raums nur die Lautsprecher der Zone auf der gegenüberliegenden Seite ansteuern.

Bei der Anwendung von Voice Lift verstärken Sie höchstwahrscheinlich nur einen Teil des Audiofrequenzspektrums – nämlich den, der vorwiegend die in Konsonanten enthaltenen Transienten zwischen 1,5 kHz und 6 kHz enthält. Eine Verstärkung aller tieffrequenten Anteile gilt es zu vermeiden, da der Raumklang sonst basslastig wird und sich das Rückkopplungsrisiko erhöht. Dies bedeutet, dass zwar der gesamte Frequenzbereich vom Mikrofon abgenommen, aber nur ein kleiner Teil des eingefangenen Schalls verstärkt wird. Wenn nun genau dieses Signal an die Gegenstelle geleitet würde, wäre der Klang für die Zuhörer dünn, „blechern“ und von unzureichender Qualität. Die Signale für das Voice Lift müssen also getrennt von denen der Konferenzschaltung bearbeitet werden.

All dies hört sich an, als müsste man sehr viele Einzelheiten im Kopf behalten. Wenn Sie sich während der Inbetriebnahme des Systems an diese wesentlichen Tipps halten, kann die Deckenarray-Technologie die Audioqualität Ihrer Konferenzen und Vorträge wesentlich verbessern.

Andrew Francis

Andrew Francis

Andrew Francis ist Senior Applications Engineer bei der Shure UK Systems Group. Er verfügt über jahrzehntelange AV-Erfahrung sowohl im Bereich installierter Systemen als auch bei Live-Events. In dieser Zeit hat er mit zahlreichen Politikern, Wirtschaftsführern und Prominenten zusammengearbeitet, u.a. auch mit Seiner Heiligkeit dem Papst. Zudem war er an der Ausführung von Preisverleihungen, Konferenzen und Gala-Dinners beteiligt. Im Installationsbereich war er drei Jahre lang als technischer Leiter für die Planung und Inbetriebnahme großer AV-Systeme in Unternehmen zuständig. Dabei spezialisierte er sich auf flexible Mehrzweck-Meetingräume.