AV als Kunstform mit Dan Crompton – Tate Gallery

Andrew Low | 29.08.2019 AV als Kunstform mit Dan Crompton – Tate Gallery

"Ich bin hinter den Kulissen schon immer dabei gewesen. Es gefällt mir, versteckt in einer Ecke zu sitzen und dann im richtigen Augenblick ordentlich Radau zu machen ..."

Dan Crompton, Audio Visual (AV) Services Manager der Tate, berichtet über eine Karriere, die ihn nach vielen Wendungen schließlich an eine der bedeutendsten kulturellen Institutionen der Welt brachte.

Bereits in seiner Kindheit war er "von Tonbandgeräten, Projektoren und Kabeln umgeben" – heute erscheint dem Leiter eines AV-Teams, das von der prestigeträchtigen Ausstellung bis zum Ton bei Konferenzen für alles zuständig ist, seine Karriere wie ein vorgezeichneter Weg: Sein Vater Dennis Crompton war in den 1960er-Jahren Gründungsmitglied von Archigram und dem innovativen Londoner AV-Kollektiv Hornsey Light/Sound.

Wege ins AV-Metier

Dans musikalische Laufbahn begann mit der Entdeckung seiner Liebe zur Posaune, später arbeitete er dann als Tontechniker einer Live-Band ("aus dem Laderaum eines Ford Transits heraus"), genau zu der Zeit, als Punk auf New Wave traf. Er umging die Universität und führte seine Ausbildung stattdessen mit der Tätigkeit als AV-Techniker an einem College im Zentrum Londons fort. 

"Ich habe Projektoren und PA-Anlagen aufgebaut. Und in einem Videostudio arbeitete ich als Assistent für das Team, das die Aufnahmesessions im Studio durchführte", erklärt Dan. 

Sein abwechslungsreicher Lebenslauf reicht vom Musikunterricht an einer gemeinnützigen Einrichtung in Camden bis zu Tourneen als Teil der Bläserbesetzung bei der Brit-Pop-Legende Dodgy. Familiäre Pflichten führten schließlich dazu, dass seine Karriere eine etwas andere Wendung nahm. 

"Da wir zwei kleine Babys erwarteten, war es an der Zeit, sich eine ordentliche Arbeit zu suchen. Die suche ich eigentlich immer noch, bin aber zwischenzeitlich im AV-Bereich gelandet", sagt er lachend. 

"Mit dem professionellen Musikbetrieb hatte ich gefühlsmäßig abgeschlossen und wollte nicht wieder in den Bus steigen und auf Tour gehen", fährt er fort. "Audio ist meine Welt und der Kern meiner Aktivitäten, aber auch das Bewegtbild liegt mir sehr am Herzen. Beim Ton hatte ich schon immer das Gesamtbild im Blick – ganz buchstäblich – deshalb nutzte ich dann meine Branchenkontakte, um einen AV-Job zu bekommen."

Nach einigen Jahren freier Mitarbeit und Tätigkeiten bei verschiedenen akademischen Einrichtungen wurde Dan auf die freie Stelle in der Tate aufmerksam und bekam sie tatsächlich. Der Wunsch, an positiven und potentiell lebensverändernden Projekten mitzuwirken, zog ihn an dieser Aufgabe an. 

"Ich wollte schon immer an kreativer Arbeit beteiligt sein. Kunst für die Öffentlichkeit und kommunale Projekte waren der bedeutsamste Aspekt meines Werdegangs. Ich glaube fest daran, und das ist ein wichtiger Teil dessen, was wir an der Tate tun. Während meines gesamten Berufslebens habe ich als Techniker kreative Kollegen unterstützt, seien es Künstler oder Musiker. Aber alles ist Teil desselben Ganzen: Du arbeitest an etwas, das seinem Publikum einen sozialen und emotionalen Mehrwert verschafft."

Die Welt der Tate

Durch die AV-Erfahrung, die Dan auf seinem Weg über das Commonwealth Institute, das Design-Museum in Kensington, die Brunel University und die London Business School bis hin zu seiner jetzigen Aufgabe gesammelt hat, zieht sich ein roter Faden. 

"Die ganze Technik kann sich sehr schnell wandeln, und das gilt besonders für die Tate. Aber es ist Teil der Herausforderung und der Freude, in diesem Metier zu arbeiten, dass es immer etwas neues kennenzulernen und zu begreifen gibt", erklärt er. Und obwohl sich diese Arbeitsfelder vordergründig unterscheiden, sind die Herausforderungen und auch die Vorgehensweisen, mit denen er ihnen begegnet, dieselben. 

"Bei all diesen Tätigkeiten arbeiten wir mit Mikrofonen, Signalprozessoren und Lautsprechern. Es gibt ein Gerät, das als Quelle fungiert, einen Prozessor – heute zumeist digital – und ein Ausgabegerät wie einen Projektor oder Bildschirm. Ich denke in diesen Kategorien. Ganz gleich in welchem Sektor, und egal wie man es betrachtet, sind diese Einzelteile das verbindende Element bei allem, was ich bisher getan habe."

Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit ist Kernbestandteil von Dans Arbeit in der Tate, ob zwischen den verschiedenen Abteilungen oder seinem eigenen Team und dem Künstler bzw. Kurator. Während die kreative Seite in den Bereich der Letzteren fällt, liegt die Verantwortung für die technische Seite einer Ausstellung oder einer Schau bei Dan und seinem Team: Ihr Sachverstand und Fachwissen kommen dem künstlerischen Ausdruck unterstützend zugute. 

"Kuratoren und Künstler haben eine Vision, der sie Ausdruck verleihen, und mit der richtigen Erfahrung können wir zu einem Projekt beitragen", so Dan Crompton. "Nehmen wir zum Beispiel die Arbeitsweise eines Lautsprecher-Arrangements oder Projektors – das kann in ihr Endprodukt mit einfließen. Wir nehmen die Ideen dieser Leute und helfen ihnen dabei, sie so gut wie möglich umzusetzen."

Grenzen ausloten

Wenn also die AV-Techniker eine unterstützende Rolle bei der Umsetzung der künstlerischen Vision einnehmen, wie sehen dann diese Arbeitsbeziehungen aus? Während ein Projekt, ebenso wie die technische Expertise eines Künstlers, sehr unterschiedlich ausfallen kann, bleibt die erfolgreiche Herangehensweise zumeist die gleiche. 

"Man braucht das Gespräch mit allen Beteiligten. Genauso wie als Tontechniker bei einer Band, geht es darum, zusammenzuarbeiten und miteinander zu reden", erklärt Dan. "Die Kreativen sind eindeutig in Bezug auf die Kunst, und wir sagen, was bei der Logistik Sache ist. Beide Seiten müssen anpassungsfähig sein, also nimmt der Dialog häufig die Form einer Unterhaltung zwischen Leuten an, die einender genügend respektieren, um zuzuhören und alternative Methoden auszuprobieren." 

Je ausgefallener eine Ausstellung oder Schau ist, desto kreativer müssen Dan und sein Team auch bei der AV-Umsetzung werden. Gleichwohl hält er gewisse Begrenzungen für notwendig, um der Kunst gegenüber wahrhaftig zu bleiben. 

"Bisweilen bekommen wir unmögliche Aufgaben – ein Konzept wie etwa die Erkundung des Tons eines unbelebten, tonlosen Objekts, beispielsweise eines Schuhs. Aber dann denkt man sich: Wir sind hier im Showbusiness – also spielen wir mit der Idee und sehen, ob wir diesen Ton simulieren können. Wir müssen darauf achten, dass wir es nicht übertreiben und unser Publikum nicht verhöhnen, indem wir unglaubwürdig werden."

Die Technik hinter dem Ton muss ebenfalls unsichtbar bleiben, damit die Wirkung des Ausstellungsstücks nicht geschmälert wird. "In diesem Fall ist das Einzige, was das Publikum wahrnehmen soll, die Akustik des Schuhs", fährt Dan fort. "Wenn Sie aber kommunizieren, wie schlau doch die dahinterstehende technische Lösung ist, dann sind Sie nicht authentisch. Wir wollen den Künstlern so gut wir können helfen, indem wir Lösungen anbieten, die sie selbst vielleicht nie in Betracht gezogen hätten, die aber gut passen und nicht von der eigentlichen Kunst ablenken."

Auf den Kopf gestellt

In einem Umfeld wie der Tate zu arbeiten bedeutet für Dan und sein Team manchmal auch, Herangehensweisen zu wählen, die im kompletten Gegensatz zu den traditionellen Methoden stehen. 

"Die Eigenschaften eines Grenzflächenmikrofons sind völlig andere als die eines Studiomikrofons, weil ihre Einsatzgebiete verschieden sind", erklärt er. "Eine Freude an der Arbeit in einer solchen Umgebung ist, dass wir sagen können: Warum drehen wir sie nicht einfach anders herum, nehmen sie aus ihrem üblichen Kontext heraus und schauen, was passiert? 

Auf diese Weise erkunden wir also die Grenzbereiche der AV-Technologie, was wirklich spannend ist." "Dieses Erforschen ist das, was ich wirklich liebe. Wir haben aber auch viel Arbeit, bei der wir für das ganze Paket zuständig sind – wie beispielsweise das Einrichten von Präsentationen. Es ist nicht jeden Tag das 'sexy' Vorzeigeprojekt in der Turbinenhalle, aber wir sind regelmäßig mit spannender Arbeit befasst." 

Die Tätigkeit des AV-Teams umfasst noch weitere Aspekte, beispielsweise als Berater in Fragen, wie die Besuchererfahrung noch besser gestaltet werden kann, oder die Arbeit mit externen Anbietern, um zu gewährleisten, dass stets die beste verfügbare Technik zum Einsatz kommt. "Wir haben einige VR-Systeme installiert, und die Anbieter haben uns dabei geholfen, sie optimal zu nutzen. Was wir in diese Zusammenarbeit einbringen, ist unsere Erfahrung bei der Anwendung von Technologie in einer Ausstellungsumgebung. Hier ist die Arbeit mit Virtual Reality deutlich anders als im Consumer-Bereich. Natürlich kann man VR zuhause genießen, aber der Betrieb in zehnminütigen Abschnitten mit neun Nutzern und einer Dauer von acht Stunden am Tag ist etwas vollkommen anderes." 

Technologie nutzbar machen

Das AV-Team der Tate verfügt nicht nur über technologisches Expertenwissen, Dan ist auch sehr interessiert daran, dass die Künstler die Systeme und Dienste in jeder für sie geeigneten Weise nutzen. 

"Es gibt natürlich Voreinstellungen, doch es kann sein, dass Organisatoren oder Künstler sie bei einem Event auf eine vollkommen andere Art einsetzen wollen. Also lassen sich die Eigenschaften der Lautsprecher unterschiedlich konfigurieren", erläutert er.

"Wir können zur Voreinstellung zurückkehren, doch ich möchte, dass der Gasttechniker die Möglichkeit hat, den Klang nach Belieben zu verbiegen, solange dabei unsere Anlage nicht zerstört wird und niemand zu Schaden kommt. Ihre Einstellungen können sie abspeichern und in der Woche darauf wieder abrufen." Diese kooperative Arbeitsweise reicht über die großen, schlagzeilenträchtigen Ausstellungen hinaus und kommt auch bei Konferenzen oder Talkrunden bei verschiedensten Tate-Events zum Tragen. 

Dan fährt fort: "Mir gefällt dieser Individualismus, besonders in diesem Zeitalter, in dem wir leben. Im AV-Bereich gibt es eine Konformitätskette, und das ist gut, weil man so weiß, wo man steht. Aber ebenso wichtig ist es, dass die Anwender ihren Einsatz der Technologie personalisieren, genauso wie sie es bei der Nutzung von Twitter, Facebook oder YouTube tun." 

Mit Ausstellungen wie der von Olafur Eliasson oder der aufstrebenden Performance-Künstlerin Pan Daijing an der Tate Modern gibt es für Dan einige Audio-Abenteuer zu erleben. Doch es ist für ihn mehr als nur ein Job. Der Ton ist eine lebenslange Obsession. 

"Ich liebe es – aber im Team wird schon etwas darüber gewitzelt. Ich habe zwei Wochen Urlaub von der Tate gemacht und bin nach Michigan gefahren, um dort an der Audio- und Video-Installation für eine Ausstellung zu arbeiten. Es ist eine Leidenschaft …"

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Andrew Low

Andrew Low

Andrew ist Systems Marketing Manager UK. Wenn er nicht gerade mit Audio-Installationen beschäftigt ist, spielt er in den Kellern Londoner Kneipen (schlecht) Gitarre. Nach dem Studium an der School of Audio Engineering in New York hatte Andrew vor zehn Jahren den Sprung über den „großen Teich“ nach London gewagt, hat dort aber immer noch Schwierigkeiten mit dem Verstehen des örtlichen Dialekts.